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Zurich [CH] - Spurwechsel und Vorstellung SwissTrolleyPlus

J. Lehmann - 23.01.2017

Die Bauarbeiten zur Verlängerung der Tram-Linie 8 über die Hardbrücke und der Neubau der Haltekanten zum Bahnhof Hardbrücke gehen in die nächste Phase. Für den 16. Januar 2017 war die Führung des Verkehrs über die Ostseite der Hardbrücke geplant, aufgrund des Winterwetters musste dies jedoch um eine Woche verschoben werden. Ab Sonntag, 22.1.2017 wird nun auf der Ostseite gefahren, wo bereits das Straßenbahngleis verlegt und am Bahnhof Hardbrücke eine 70m lange Haltekante angelegt ist. Es folgen nun die entsprechenden Bauarbeiten auch an der Westseite der Brücke. Die Fahrleitung für die Trolleybuslinien 33 und 72 wurden entsprechend neu verlegt und zum Zeitpunkt des Spurwechsels neu angebunden.

Rund 30 geladene Gäste aus der Lokal- und Fachpresse (wie Omnibusspiegel und Modern Stadstrafik) erhielten eine Einladung zur Vorstellung der Neuentwicklung SwissTrolley Plus am 17.01.2017. Diese fand in der Zentralwerkstatt der ZVB statt, in der Halle wurden Sitze vor einem Vortragspodium aufgebaut.
Um 11 Uhr eröffnete der Stadtrat Andres Türler in Vertretung des Direktors Schorch die Medienkonferenz, die einen weiteren Baustein vorstellt, die zunehmende Mobilität der Bevölkerung umweltschonend zu bewältigen und dabei das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft im Auge behält. Dazu wurde bereits im letzten Jahr die Elektrifizierungsstrategie «eBus VBZ» vorgestellt und der Probebetrieb eines Elektrobusses für die Quartierlinien gestartet. Auch die Beschaffung von 11 Hybridbussen, die im Laufe dieses Jahres erwartet werden gehören zur Elektrifizierungsstrategie. Die Stadt Zürich ist und bleibt eine ÖV-Hochburg, und die blau-weissen Fahrzeuge prägen das Stadtbild. „Zürich ohne die VBZ, das wäre wie ein Fluss ohne Wasser“, so beschloß der Stadtrat seine Einleitung bevor er den Schleier über den „Swiss Trolley plus“ lüftete. Das vom Bundesamt für Energie unterstützte Projekt soll neuen Schwung in die Trolleybustechnologie bringen. Bei dem Gemeinschaftswerk „SwissTrolleyPlus“ hat die Firma Hess das Fahrzeug, die Berner Fachhochschule die Batterie-Technologie und die ETH Zürich das Energie-Management entwickelt. Er dankte allen Beteiligten und gab weiter an Christoph Rütimann, Vizedirektor und Leiter des Unternehmensbereichs Technik VBZ, der mehr über die Grundlagen für die Entwicklung des Fahrzeugs erläuterte:
Aber zuerst ging dieser auf die Ziele der VBZ ein, und zwar sollen auf der einen Seite für Quartierbuslinien Batteriebusse getestet und beschafft werden, auf der anderen Seite das vorhandene Trolleybus-System flexibilisiert und ausgebaut werden. Zwischen diesen beiden Bereichen befindet sich das heutiges Dieselnetz mit zahlreichen Gelenk- und Standardbuslinien, für das nun ein Elektrifizierungskonzept unter Nutzung der Hybridtechnologie erarbeitet wird.
Als Vorteil des „flexibilisierten Trolleybus“ hob Christoph Rütimann hervor, dass der Trolleybus keine unproduktive Ladezeit dank kontinuierlichem Energiebezug benötigt und keine hohen Anschlussleistungen in der Garage nach sich zieht. Der Trolleybus ist somit unverzichtbar für Zürich, gerade für Einsatz auf Linien mit hoher Nachfrage und anspruchsvoller Topografie. Durch die Ausstattung mit leistungsfähigen Traktionsbatterien wird er jedoch flexibler und kostengünstiger. Die Praxistauglichkeit des Batterieeinsatzes wird seit 2015 durch die VBZ bewiesen und somit erfolgte der Beschluss zur Nachrüstung der ersten Serie, die noch mit Dieselmotoren als Hilfsaggregat ausgestattet waren. Der Einsatz des SwissTrolley ist nach Abstimmung mit den Projektpartnern hauptsächlich auf den Linien 33 und 83 geplant, wobei letztere HVZ-Linie zu rund 50% nicht von Fahrleitung überspannt ist und gegenwärtig ausschließlich von Dieselbussen bedient wird. Zur Erprobung ist aber auch der Einsatz auf den Linien 34, 46 und 72 beabsichtigt.
Anschließend wurde der SwissTrolley Plus mit etwas Nebel-Effekten langsam aus der Lackierhalle herausgefahren, er erhielt über seine übliche blau/weiße VBZ-Lackierung eine Gestaltung mit grünen Symbolen, die die Funktion des Fahrzeugs verdeutlichen. Während die ersten Gäste bereits das Fahrzeug besichtigen konnten, trug Philippe Müller, Leiter Cleantech des Bundesamts für Energie die Hintergründe für die Förderung des Projekt vor: Mit der Energiestrategie der Schweiz sollen drei Ziele verfolgt werden, und zwar Ausbau der erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizienz um einen Atomausstieg zu ermöglichen. Das Volk soll voraussichtlich am 21.5.17 über die Energiestrategie entscheiden. Im Bereich der Energieeffizienz fördert das BFE Leuchtturmprojekte zur Stärkung der Schweizer Wirtschaft, die die Energiezukunft für Fachkreise und die Bevölkerung konkret sichtbar machen. Die Bereiche werden unter dem Begriff „Cleantech“ geführt.
Anschließend stellte Alex Naef, Geschäftsführer der Carrosserie HESS AG die Produktoptimierungen des SwisstrolleyPlus vor. Er ist stolz, dass im 135. Jahr der Geschichte des Familienunternehmens dieses Flagship-Projekt vorgestellt werden kann und drückte ausdrücklich ein Dank den Mitstreitern des Projekts aus. Durch eine andere Materialwahl im Leichtbau, konsequent umgesetzt in allen Modulen und Komponenten von Chassis, Karosserie und Traktion ist das Fahrzeug über 1 to leichter, obwohl die eingebaute 60 kWh - Lithium Titanatoxid (Li2TiO3)- Batterie rund 1200 kg schwer ist. Dabei blieb das Fassungsvermögen bei 163 Fahrgästen, jedoch sind aufgrund Vergrößerungen des Stehbereichs nur 42 Sitze statt bisher 45 Sitze eingebaut. Durch eine andere Anordnung der Bauteile kann nun eine kleine Heckplattform geboten werden. Auch beim Heizen und Kühlen konnte eine energie-effiziente Lösung eingeführt werden: Anstelle einer kompletten Erwärmung des Fahrzeugs-Innenraums wird die Strahlungswärme genutzt. So dient die Deckenverkleidung als Wärmetauscher, mit modernster Wärmepumpen-Technologie wird gleichzeitig der Passagierraum geheizt und bei Bedarf die Batterien gekühlt.
Das Projekt startete im Mai 2015 und ist nun nach 1½ Jahren Entwicklung und Herstellung konnte Ende Dezember 2016 das Ergebnis nach Zürich ausgeliefert werden. Es folgt nun eine Optimierungsphase am Oberleitungsnetz und die Strassenzulassung des Bundesamts für Verkehr (BAV), mit denen der Zulassungs-Prozess für diese neuartige Technologie vorab geklärt wurde. Es wird einerseits die strassenzulassungspflichtige Trolleybusnorm (EN 50502) erfüllt, aber auch die ECE R100 für elektrisch betriebene Batterie-Fahrzeuge eingehalten. Nach der für Ende Februar erwarteten Zulassung unterliegt das Fahrzeug einen zweijährigen Feldversuch bei der VBZ auf den verschiedenen Linien. Auch eine Roadshow durch die Schweiz und eine Vorführung auf diversen Fachausstellungen ist in diesem Zeitraum geplant.
Die elektrische Leistung im «Batteriemodus» erlaubt den Betrieb von ca. 30km fahrdrahtlosem Notbetrieb. Ansonsten können 10km im Linien-Normalbetrieb ohne Reduktion der Fahrperformance und ohne Komforteinbussen ohne Fahrleitung zurückgelegt werden. Die Effizienz des Traktionsstranges wurde maßgeblich verbessert, so kommen PM-Motoren der Firma ABB zum Einsatz. Eine weitere Nachhaltigkeit wird durch eine Auslegung auf eine 20-jährige Lebensdauer mit einmaligem Batterietausch geboten. Der gesamte Energie-Haushalt des Busses wird durch ein zentrales System gemanagt, welches als GPS-gestütztes Energiemanagement selbstlernend entwickelt wurde.
Über dieses System des selbstlernenden Energiemanagements referierte anschließend Prof. Dr. Christopher Onder von der ETH Zürich. Das Projekt bringt Motivation für die Studierenden, die relevante wissenschaftliche Fragestellungen erarbeiten können. Die Aufgabe des Energiemanagement ist die Bereitstellung von genügend Energie zum Fahren zu jedem Zeitpunkt unter Berücksichtigung der oberleitungsfreien Abschnitte. Somit wird eine Verbesserung der Energieeffizienz durch «lernende Regelungstechnik» erreicht und ein Verlust von Bremsenergie aufgrund von Netzsektoren vermieden. Dabei wird die Batterie-Ladeleistung so bestimmt, dass Energieverluste minimiert werden.
Es wurde eine Studie der Linie 46 vorgenommen, hier kommen 7 Trolleybusse zum Einsatz, die Umlaufzeit beträgt 52 Min bei einer Streckenlänge von 14.7 Kilometer. Im Idealfall erreicht der «SwissTrolley plus» bis zu 15% geringeren Energiebedarf, durch die positionsbasierten Streckeninformationen kann das Energiemanagement gezielt das Oberleitungsnetz entlasten. Dabei ist es unerheblich, ob die Linie gesamt mit SwissTrolleys oder nur ein SwissTrolley im Einsatz ist. Die prozentuale Einsparung ist bereits bei dem Einsatz eines Wagens erreichbar. Über die Untersuchungen im Vorfeld über die verwendete Hochleistungs-Traktionsbatterie im SwissTrolley plus trug Prof. Dr. Andrea Vezzini von der Berner Universität vor. Der wesentliche Fragestellung der Forschung seines Instituts ist die Einschätzung der Alterung der Hochleistungsbatterie des SwissTrolley plus mit genügender Genauigkeit und damit verbunden die Definition der optimierten, lebensdauerschonenden Batterienutzung. Dazu wird die Batterie innerhalb eines bestimmten Ladezustands betrieben, um genügend Energie für Fahrten ohne Oberleitung zu garantieren und gleichzeitig Energie durch den Bremsvorgang bei Bergabfahrten und beim Bremsvorgang vor jeder Haltestelle aufzunehmen. Durch dieses stetige Nachladen der Batterie wird die Energieeffizienz gegenüber herkömmlichen Trolleybussen erhöht, außerdem kann die Batterie bei der Entlastung des Oberleitungsnetzes unterstützen. Ein weiterer Vorteil ist die schonende Nachladung der Batterie an der Oberleitung.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Batterielebensdauer der wichtigste Faktor in der Energiespeicherthematik, der Alterungsprozess wird von folgende Faktoren beeinflusst: Temperatur, Lade-und Entladerate, Ladezustand während der Lagerung, Spannungen im Betrieb und Entladetiefe (DOD). Für die Untersuchungen wurden zwei Lösungsansätze gewählt: Experimentelle Vorgehensweise zum Beispiel mit einer Testmethode zur Bestimmung der Restkapazität in den Zellen und die Modellierung, wobei ein Tool zur optimalen Auslegung des Batteriesystemen verwendet wird um die Größe der Batterie auszulegen, um eine zuvor festgelegte Lebensdauer zu garantieren. Als Schlussfolgerungen resümierte er, dass die Hochleistungsbatterie im SwissTrolley plus eine der langlebigsten Batterien im heutigen Markt überhaupt ist und diese Hochleistungsbatterie energieeffiziente Fahrten mit und ohne Oberleitungsnetz ermöglicht. Die Lebensdauerabschätzungen von Batterien sind aufgrund der komplexen gegenseitigen Abhängigkeit verschiedener Parameter eines der grössten Herausforderungen in der F&E von Batterien. Die Lebensdauerabschätzung wird in diesem Projekt durch die geeignete Auswahl an experimentellen Untersuchungen und ausgeklügelten mathematischen Modellen ermöglicht. Die derzeitigen Lithiumionenbatterien werden weiterhin den Energiespeichermarkt insbesondere in der Elektromobilität mit Abstand dominieren.
Nach den Vorträgen wurde der Projektfilm vorgeführt, er ist im nachfolgenden Artikel der auf SwissTrolley Plus-Website abrufbar. Abschließend boten die ZVB zweimal Probefahrten mit dem SwissTrolley Plus an und luden zu einem kulinarischen Angebot ein.

Nach der Vorstellung konnte auch der Umbau vom Swiss Trolley 152 besichtigt werden. Die Umbauzeit für einen Trolleybus hat sich inzwischen auf eine Woche eingependelt, sieben SwissTrolleys sind bereits auf Batteriepack umgerüstet. Dabei wird im Heck der Diesel-Hilfsmotor ausgebaut, und der Wagen mit dem Batteriepack mit Umrichtercontainer bestückt. Gleichzeitig ersetzt man die Beleuchtung im Innenraum durch LED-Lichtleisten, dabei werden die Video-Überwachungskameras in die Lichtleiste gesetzt und eine zusätzliche Überwachung an Tür 1 eingebaut. Nähere Angaben über die Kenndaten wie Starke und Gewicht der Batterien in allen Züricher Trolleybusserien sowie ein Datenblatt zum SwissTrolley Plus sind unter "Mehr Information" abrufbar


Fotos:
oben: Am 17.01.17 befuhr der SwissTrolley 167 noch die westlichen Fahrspuren der Hardbrücke, die Fahrleitung auf den östlichen Fahrspuren hängt bereits, so dass vorübergehend die Fahrleitung vierspurig vorhanden ist.
mitte: Aus der Halle 10 wurde der SwissTrolley Plus während der Präsentation herausgefahren, rechts das Podest mit den Vertretern der Projektbeteiligten
unten: Mehrere Probefahrten fanden nach der Präsentation auf der kurzen Teststrecke in der Zentralwerkstatt statt. Aufnahmen: J. Lehmann, 17.01.17

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